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Darstellung einer Vase mit Farbüberlagerung und Ufer des Toten Meeres im Hintergrund

LEBENAM TOTEN MEER

Die Entdeckung der Qumran-Schriftrollen in Höhlen am Toten Meer ging vor 70 Jahren um die ganze Welt, die biblische Geschichte von der Zerstörung der Stadtmauern von Jericho durch Posaunenklänge ist weithin bekannt und mancher wüsste gerne, wo Sodom und Gomorra liegen oder hat schon von Lots Frau gehört, die zur Salzsäule erstarrte. Trotz dieser Geschichten und Entdeckungen hat es noch nie eine Ausstellung gegeben, die sich mit der Region des Toten Meeres beschäftigt. Weltweit. LEBEN AM TOTEN MEER schließt nun diese Lücke.

Die Ausstellung zeigt 12.000 Jahre Kulturgeschichte dieser außergewöhnlichen Region anhand von über 350 Objekten. Sie sind Leihgaben von 23 verschiedenen Museen, darunter das Ashmolean Museum, das British Museum und das Israel Museum in Jerusalem. Moderne Grenzen spielen in der Darstellung keine Rolle. Die Funde stammen von zahlreichen verschiedenen Fundorten (siehe Karte) und aus unterschiedlichen Kontexten, die wir in acht Ausstellungsthemen zusammengefasst haben.

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Steiniges Ufer mit steiler Klippe

FUNDORTE

Die wichtigsten Fundorte rund um das Tote Meer

Legende mit Index zur Meereshöhe

NATUR UNDSUBSISTENZ

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Sinkhole at the shore of the Dead Sea
Foto: Moti Milrod

Wenn das smac eine Ausstellung über die Archäologie in einem fernen Land plant, dann ist es ein dringendes Anliegen des Teams, zum Einstieg Landschaft und Lebensbedingungen vorzustellen. Das ist im Fall des Toten Meeres besonders wichtig, da sich Natur und Umwelt vollständig von derjenigen Mitteleuropas unterscheiden. Außerdem ist es eine für uns faszinierende, da extreme Region: Das Tote Meer ist der tiefste Punkt der Erdoberfläche.

Hier sind die Sonnenstrahlen weniger intensiv, die Luft extrem trocken, Trinkwasser rar, die Landschaft Wüste und der See – das Tote Meer – sehr, sehr salzig und mineralreich. Trotz der eher lebensfeindlichen Natur schenken Sonnenlicht, Trockenheit, Salz und Mineralien den Menschen seit der Antike Gesundheit. Hier konnte natürlicher Asphalt gehandelt, Balsam (für die Seele) hergestellt und Datteln mit großem Erfolg angebaut werden.

Oberhalb von Tel Goren wurden künstliche Terrassen errichtet

Künstliche Terrassen für die landwirtschaftliche Nutzung oberhalb von Tel Goren | Foto: smac, Yvonne Schmuhl

Ein ausgeklügeltes Wassermanagement ist der Schlüssel aller Besiedlung am Toten Meer. Die seltenen aber intensiven Niederschläge, Quellen und der größte Zufluss des Toten Meeres, der Jordan, werden seit jeher von den Menschen bestmöglich genutzt, um Leben zu ermöglichen. Um sich von den seltenen Niederschlägen unabhängig zu machen, wird das kostbare Nass mindestens seit der Bronzezeit (ab 3300 v. Chr. ) aufgefangen, geleitet, gesammelt und verteilt.

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Sturzflut im Nahal Arugot (bei En-Gedi) nach einem Unwetter | Aufnahme: smac, Yvonne Schmuhl

ASPHALT ODER KOLLAGEN?

Schwarzer polierter Stein
Asphalt

Der Asphaltsee* enthält nichts als Erdpech, wovon er auch seinen Namen hat. Er nimmt keine tierischen Körper auf, selbst Stiere und Kamele schwimmen auf ihm. Daher ist die Sage entstanden, dass nichts in ihm untersinke.

Plinius der Ältere über das *Tote Meer in Naturgeschichte 5,72

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AUS SALZIG WIRD SÜSS

Die Dattelpalme

Keine Pflanze eignet sich derart gut zum Anbau am Toten Meer wie die Dattelpalme. Der Grund? Sie verträgt die salzhaltigen Böden, wie sie für die Senken/den afrikanischen Grabenbruch typisch sind. Die Dattelpalme ist eine klassische Oasenpflanze, und bereits auf der Mosaikkarte von Madaba aus dem 6. Jahrhundert werden Oasen mit Dattelpalmen markiert. Kultiviert wird sie spätestens seit der Kupferzeit (4500 – 3300 v.Chr.) und in der Antike preisen Gelehrte wie Plinius d. Ältere die Datteln von Jericho. Heute wird sie in großen Plantagen angebaut.

Wir kennen und schätzen hauptsächlich die Frucht der Palme, die Dattel. Sie besteht zu 85 % aus Zucker! Und schmeckt sowohl frisch als auch getrocknet. Honig und Wein kann man auch aus ihr gewinnen. In der Vergangenheit wurden auch Fasern, Blätter und der Stamm genutzt, so der Stamm zum Hausbau, die Blätter zum Dachdecken sowie Blätter und Fasern für Siebe und Körbe. Letztere zierten einst römische Münzen und heute die 10 Schekel Münze (NIS). Nichts könnte die Bedeutung der Pflanze mehr unterstreichen.

DIE MADABA-KARTEEIN EXKURS

Die Mosaikkarte von Madaba stammt aus dem 6. Jahrhundert und gilt als älteste erhaltene Landkarte des Heiligen Landes. Madaba liegt etwa 30 km östlich des Toten Meeres. In dieser Region, im heutigen Jordanien, entstand in byzantinischer Zeit ein Zentrum christlichen Lebens.

Beim Bau einer neuen Kirche Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Überreste eines Vorgängerbaus entdeckt. Den Boden dieser Kirche zierte eine ursprünglich 22 x 7 m große Mosaikkarte, von der noch circa zwei Drittel erhalten sind. Für die Darstellung wurden etwa zwei Millionen Steine benötigt. Sie zeigt die Region vom Libanon über Palästina bis zum Nildelta in Ägypten mit Jerusalem im Zentrum als Nabel der religiösen Welt. Die Karte diente frühen Pilgern zur Orientierung, daher werden auch nicht die politischen Gegebenheiten der Zeit gezeigt, sondern die Orte von religiöser Bedeutung. Sie ist nach Osten und nicht wie moderne Karten nach Norden ausgerichtet.

Weil sie so viele Aspekte des Lebens am Toten Meer veranschaulicht, zeigen wir an verschiedenen Stellen der Ausstellung Ausschnitte der Karte. Einige stellen wir hier vor...

Mosaik der Karte der Region Madaba

Dattelpalmen

Abgebildete Flora und Fauna gibt es auf der Madaba-Karte kaum; auffällig ist deshalb, WENN etwas abgebildet wird. Neben einigen wenigen Tieren wie Fisch, Steinbock und Großkatze sind Palmen und (Balsam-?)Sträucher zu sehen. Bei den Palmen wird nach zwei Typen unterschieden, die beide auf diesem Abschnitt neben der Stadt Zoara zu sehen sind. Vielleicht handelt es sich um verschiedene Fruchtstände der Dattelpalme.

Der Jordan

Dargestellt ist der Jordan, der wichtigste Zufluss des Toten Meeres (rechter Bildrand). Darin sind Fische zu sehen, von denen jener kurz vor der Mündung kehrt zu machen scheint. Wahrscheinlich ein Hinweis auf den hohen Salzgehalt des Toten Meeres, das nicht umsonst so heißt. Weiter links ist eine Art Holzkonstruktion (?) abgebildet, in deren Mitte ein Schiff befestigt ist. Vermutlich handelt es sich hier um eine Form einer Fähre, die die Strömung als Antrieb nutzt.

Jerusalem

Während kleinere Orte auf der Madaba-Karte meist nur als von Türmen flankiertes Tor oder auch nur als Haus dargestellt werden, gibt es einige sogenannte Städtevignetten, die größere Städte mit teils erstaunlicher Detailtreue in der Draufsicht darstellen. Die größte (weil wichtigste) von ihnen: Jerusalem. Einzelne Bauwerke der Altstadt von Jerusalem sind hier deutlich dargestellt, darunter: Das Damaskustor, das Löwentor, das Goldene Tor, das Zionstor, die Grabeskirche, die Davidszitadelle und der Cardo Maximus. Diese Genauigkeit der Darstellung macht die Madaba-Karte bis heute zu einem wichtigen Zeugnis für den Aufbau des spätakntiken Jerusalem.

Schifffahrt

Dass es Schifffahrt auf dem Toten Meer gegeben hat, ist durch archäologische Funde rekonstruierbar. Mit den beiden dargestellten Schiffen auf der Madaba-Karte ist sie auch verbildlicht worden. Die  überdimensionierten Schiffe sind mit unterschiedlichen Segeln - einmal eingerollt, einmal aufgebläht - und jeweils zwei Personen abgebildet. Die dargestellten Personen sind bei einer Übernahme durch die Perser im 9. Jahrhundert unkenntlich gemacht worden. Was die Schiffe transportieren, ist nicht klar zu bestimmen. Dass es sich um zwei bedeutende Rohstoffe der Region handelt: Salz und Asphalt (?), ist aber sehr wahrscheinlich.

Ufer des Toten Meeres mit Blick auf En-Gedi und einer abfallenden Klippe

STIRBT DASTOTE MEER?

Seespiegelschwankungen – normal oder menschengemacht?

Über die letzten 12.000 Jahre schwankte der Seespiegel des Toten Meeres erheblich. War das Klima etwas feuchter stieg er, war es trockener, so fiel er. Fällt er unter 400m unter Normal Null, dann trocknet der südliche Teil aus. Dies geschah bereits mehrfach in der Vergangenheit. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts fällt der Seespiegel kontinuierlich und aktuell um einen Meter jährlich. Dieser Prozess scheint aufgrund des Klimawandels und des Ableitens des Trinkwassers für die Landwirtschaft nicht zu stoppen.

Erdfälle entlang des nordwestlichen Ufers sind eine gefahrvolle Begleiterscheinung dieser Entwicklung. Sie entstehen bei Niedrigstand und gleichzeitigem Ausspülen des Salzes aus den ufernahen Sedimenten. Um dem Sterben des Toten Meeres entgegen zu wirken, soll Wasser aus dem Roten Meer ins Tote Meer geleitet werden (Red to Dead). Ein gewaltiges Projekt mit offenem Ausgang und das noch nicht gestartet wurde.

WELLNESS

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Salzinsel mit Baum im Toten Meer

Badeluxusam Toten Meer

Berühmt sind die Badeanlagen des Herodes und die heißen Quellen in den Bergen um das Tote Meer. Anders als heute, hat man in der Antike ein Bad im salzigen Wasser jedoch nicht zu schätzen gewusst.

ANTIKE WELLNESS

Wellness-Tourismus hat es in der Antike über große Entfernungen nicht gegeben, dafür war Reisen zu mühsam; man wäre viele Monate unterwegs und zahlreichen Gefahren wie Räubern ausgesetzt gewesen. War man aber erst einmal in der Nähe des Toten Meeres, beispielsweise als Staatsbeamter in Jerusalem angelangt, hat man die hiesigen ‚Produkte‘ durchaus zu schätzen gewusst. Und hier sind sich Antike und Gegenwart wieder ähnlich: Luxus und Wellness sind teuer. Den folgenden Preisen für Mitbringsel und Reisekosten liegt das sogenannte Höchstpreisedikt des Diokletian zugrunde. Dabei handelt es sich um ein Gesetz zur Preisregulierung und Währungsstabilisierung aus dem Jahr 301.

Ein Pfund Datteln als Snack 1/4 Denar

Vielzahl von Dattelkernen | © Israel Antiquities Authority
Dattelkerne aus Nahal Hever | 2. Jh. n. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

Ein Kamm für die Haare: 14 Denare

Akazienholzkamm © Israel Antiquities Authority
Kamm aus Akazienholz (aus En-Gedi) | 1. Jh. v. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

Mitbringsel: Korb aus Palmfasern: 4 Denare

Korbtasche aus Palmfasern | © Israel Antiquities Authority
Korb aus Blättern und Fasern der Dattelpalme aus Nahal Hever | 70 - 135 n. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

Kamel für den Transport: 30.000 Denare (2 Höcker) oder 20.000 Denare (1 Höcker)

Fragment eines Kamelgebisses | Foto: Rheinisches Landesmuseum Trier
Oberkieferfragment eines Kameliden | römisch | Foto: Landesmuseum Trier

1 Pfund Asphalt (gegen Diarrhö, Augenleiden oder Zahnschmerzen): 25 Denare

Asphalt 70 Millionen Jahre alt | Schenkung: Eli Raz | Foto: smac, Annelie Blasko

Hübsches Gefäß für den gekauften Balsam: 20 Denare

bunte Glasflasche mit kleinen Henkeln | © Israel Antiquities Authority
Glasgefäß | spätes 7. - 4. Jh. v. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

Wenn man bedenkt, dass ein Bäcker nur 50 Denare am Tag oder ein Landarbeiter sogar nur 25 verdient hat, kann man sich gut vorstellen, dass sie und ihre Familie nie nach Balsam dufteten, oder sich gar etwas über das Mittelmeer schicken lassen konnten.

GESCHMINKTBIS IN DEN TOD

In einem Grabkomplex in En-Gedi (Grab 6) fand man eingewickelt in eine Matte aus Palmblättern verschiedene Holzgefäße und Toilettenutensilien: darunter Kosmetikgefäße, einen Kamm, eine Haarnadel, ein bronzenes Kohlgefäß mit Stab sowie eine Perlenkette. In dem Grab fanden insgesamt 14 Menschen ihre letzte Ruhe. Sie gehörten – zumindest teilweise – dem jüdischen Glauben an, da die erhaltenen Leichentücher einen typischen Knoten auf der Schulter aufweisen und Ossuarien (Knochenkästen) auf den jüdischen Auferstehungsglauben hindeuten.

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MOBILITÄT

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Wüstenlandschaft mit Bergen links und rechts und einem Pfad in der Mitte | © Carolina Stigson on unsplash

 

 

 

 

 

 

 

 

MOBILUNTER ERSCHWERTEN BEDINGUNGEN

Mobilität rund um und auf dem Toten Meer ist von Beginn an mit Schwierigkeiten verbunden. Die Steilklippen an den Ufern, die Seespiegelschwankungen und der hohe Salzgehalt des Wassers, der jedem Holz binnen kürzester Zeit zusetzt, machen ein Vorankommen denkbar schwer. Schiffshäuser, die direkt am Wasser gebaut wurden, waren oft schon nach Jahrzehnten nicht mehr nutzbar, weil das Wasser inzwischen hunderte Meter entfernt war. Umso überraschender, dass sich anhand archäologischer Funde eine hohe Mobilität der Menschen nachvollziehen lässt.

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Um das Tote Meer sind bisher acht Ankerplätze/Häfen archäologisch, historisch oder geohistorisch nachgewiesen. Einer von ihnen wird in dieser VR-Anwendung in der Ausstellung erlebbar. Die Darstellung basiert auf Grabungsergebnissen in Khirbet Mazin und zeigt einen Ankerplatz bestehend aus: einer langen Halle ‒ ein Trockendock ‒  von 11 x 30 Meter, an deren Nordseite die Reste eines Turmes mit mehreren Räumen und zwei Zisternen zu sehen sind. Zum See hin haben sich die Fundamente einer Rampe sowie eine als Wellenbrecher interpretierte Mauerstruktur erhalten. Die Breite der Rampe lässt auf eine Schiffsgröße von maximal 4 x 12 bis 14 Metern schließen, etwa den Maßen einer kleinen römischen Liburne (= ein leichtes Kriegsschiff mit zwei Ruderreihen). Die Trockendocks am Toten Meer waren besonders wichtig, um die Schiffe vom Salz zu befreien.

Realisierung und Copyright: Roy Albag - Research und 3D Rekonstruktion. Mr. Oded Erell - Animation. Mr. Boaz Sarfatty - Photographie.

PHARAONEN HATTEN IMMER EINEN FUß IN DER TÜR

Die Ägypter benötigten für die teuerste Form der Einbalsamierung Asphalt. Beispielsweise als Salbölbestandteil oder Füllmaterial . Außerdem: Salz zum Austrocknen des Leichnams. Auch Palmwein und verschiedene Harze konnten zum Einsatz kommen. All das fanden sie am Toten Meer. Die Pharaonen bemühten sich nachweisbar ab dem Beginn der Bronzezeit (3. Jahrtausend v. Chr.) um einen Zugang zu den Ressourcen. Unbekannt ist jedoch, ob diese frühe Kontaktaufnahme friedlicher Natur war.

Aus Jericho sind mehrere Skarabäen der Bronzezeit bekannt, die von einem nicht nur punktuellen Austausch zwischen Jericho und Ägypten zeugen. Nicht zuletzt ist das kleine Fayencefläschchen aus Jericho eines der attraktivsten Hinweise auf einen Kulturtransfer zwischen dem Toten Meer und Ägypten: Entweder kam das Fläschchen oder aber das Wissen aus dem entfernten Land am Nil.

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Und so von Jericho zum Toten Meer – 9 Meilen. Das Wasser von ihm ist sehr bitter, wo es keinerlei Art von Fisch noch irgendwelche Schiffe in ihm gibt, wenn ein Mensch sich hineinstürzt, um zu schwimmen, dreht das Wasser ihn um. Von hier zum Jordan, wo der Herr vom Johannes getauft wurde – 5 Meilen.

nach Aetheria/Egeria: Reise in das Heilige Land | Lateinisch/Deutsch | übersetzt von Kai Brodersen (Berlin, Boston 2016)

Hintergrundgrafik

ANTIKE REISEFÜHRER

Heute haben wir Reiseführer und GPS, aber was nutzte man vor 2000 Jahren, um sich in der Gegend um das Tote Meer nicht zu verlaufen? Da gab es verschiedene Möglichkeiten. Reisebeschreibungen, sogenannte Itinerare, in denen Entfernungen und interessante Zusatzinformationen in Textform aufgeführt sind. Das älteste christliche Itinerar ist das Itinerarium Burdigalense (verfasst 333/334 n.Chr.) von einem anonymen Pilger aus Burdigala (heute: Bordeaux). Aus ihm stammt das vorangestellte Zitat. Meilensteine, die Richtung und Entfernung zu den nächsten Ortschaften aufzählen, aber nur entlang der größeren Straßen und nicht direkt am Toten Meer zu finden sind. Straßenkarten, die Informationen wie Ortsgrößen, Pferdewechselstationen und Entfernungen angeben. Die Kopie einer solchen Rollkarte hat sich mit der sogenannten Tabula Peutingeriana
(unten) erhalten.

Tabula Peutingeriana

Das Tote Meer auf der Tabula Peutingeriana. Es wird mit zwei Zuflüssen dargestellt, obwohl nur der Jordan das Tote Meer speist. Es wird angenommen, dass hier ein Wadi gemeint ist, das inzwischen ausgetrocknet ist.

Nach der Ausgabe von Konrad Miller 1887

HÖHLENDÖRFERSTÄDTE

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MEINE HÖHLEMEIN HEIM

 

 

 

Eine Besonderheit am Toten Meer sind die Höhlen, die vor allem am Westufer bereits in Stein- und Kupferzeit von Menschen als Behausung genutzt wurden und sensationelle Funde des Alltags bewahrt haben. Mit den Aufständen gegen die Römer wurden die Höhlen wieder intensiv genutzt – nun allerdings als Zufluchtsorte.
 

Haken | 8300-5500 v. Chr. | Foto: Israel Museum Jerusalem

Haken | 8300 - 5500 v. Chr. | Foto: Israel Museum Jerusalem

Stofffragment | Jungsteinzeit |Foto: Israel Antiquities Authority

Stofffragment | Jungsteinzeit | Foto: Israel Antiquities Authority

Strohmatte | 4500-3300 v. Chr. |Foto: Israel Antiquities Authority

Strohmatte | 4500 - 3300 v. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

Korbware | 4500-3300 v. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

Korbware | 4500 - 3300 v. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

Sogenannte Nahal Hemar Messer | 8300-5500 v.Chr. |Foto: Israel Antiquities Authority

Sogenannte Nahal Hemar Messer | 8300-5500 v. Chr. | Fundort: Nahal Hemar Cave | Foto: Israel Antiquities Authority

Detailansicht eines Siedlungsmodells mit Baum und rechteckigen Häusern

 

 

 

 

 

 

 

In der Regel finden sich Siedlungen und Gutshöfe um das
Tote Meer an Süßwasserquellen, wo Landwirtschaft und Handwerk
blühten. Selten entwickelten sich solche Ansiedlungen allerdings zu
Städten, sodass eigentlich nur Jericho dauerhaft von großer Bedeutung war.

Cornets aus Teleilat Ghassul | 4500-3300 v. Chr. | © Museum of the Pontificial Biblical Institute, Jerusalem

Cornets | Kupferzeit (4500 - 3300 v.Chr.) | Foto: Museum of the Pontificial Biblical Institute, Jerusalem

Vorratsgefäß | 3300-2200 v. Chr.| © Israel Museum Jerusalem

Vorratsgefäß | Frühe Bronzezeit (3300 - 2200 v. Chr.) | Foto: Israel Museum Jerusalem

Dunkelgraues Gefäß mit Henkel links und einer Tülle rechts

Topf mit Ausgusstülle | Mittlere Bronzezeit (2200 - 1550 v. Chr.) |  Foto:Staatliche Museen zu Berlin,Vorderasiatisches Museum, Olaf M. Teßmer

Öllampe | 2200-1550 v. Chr. |© Vorderasiatisches Museum Berlin

Öllampe | Mittlere Bronzezeit (2200 - 1550 v. Chr.) | Foto: Staatliche Museen zu Berlin,Vorderasiatisches Museum, Olaf M. Teßmer

Einfache unverzierte Schale der Eisenzeit

Schale | Eisenzeit (1200 - 586 v. Chr.) | Foto: Staatliche Museen zu Berlin,Vorderasiatisches Museum, Olaf M. Teßmer

Braunes Keramikgefäß mit zwei kleinen Henkeln links und rechts sowie Deckel.

Kochtopf | byzantinisch (327 - 638) | Foto: Staatliche Museen zu Berlin,Vorderasiatisches Museum, Olaf M. Teßmer

WAS IST EIGENTLICHEIN TELL?

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Modell der Festung des König Herodes auf dem Tafelberg Masada. Zu sehen ist vor allem der über drei Etagen in den Felsen gehauene Nordpalast
Modell der Festung des Herodes auf dem Tafelberg Masada. Der Nordpalast wurde über drei Etagen in den Berg gehauen und gehört zur hellenistischen Palastarchitektur.

PALÄSTE ÜBER ALLEM

Über allem „thronen“ die Paläste Herodes des Großen. Von den Römern im Jahr 30 v. Chr. eingesetzt, hat der aus der Bibel bekannte König oft ältere Festungen ausgebaut und seinem Bedürfnis nach Luxus angepasst. Hoch oben, in Machärus und Masada, sind gesicherte Prachtbauten entstanden.

Man kann noch heute in den Ruinen die weitläufigen Garten- und Hofanlagen, die Bäder nach römischem Vorbild und die prunkvollen Repräsentationsräume erahnen. Weniger wehrhaft zwar aber nicht weniger luxuriös finden sich auch in Jericho Paläste des Herrschers.

VON BUTTER UND FEUER

Die sogenannte Kupferzeit (Chalkolithikum, 4500 – 3300 v. Chr.) ist eine Periode, in der die Gegend um das Tote Meer gut bewohnt war. Wissenschaftler haben sogar eine Kultur nach der kupferzeitlichen Siedlung Teleilat Ghassul am Toten Meer benannt. Für diese ‚Kultur‘ charakteristisch sind zwei außergewöhnliche Keramikformen: das Butterfass und das Cornet.

Das Besondere am Butterfass ist eigentlich das Material. In dem vorangehenden Neolithikum und in der folgenden Bronzezeit hat man Butter durch Hin und Her-Schwingen eines Tierbalgs erzeugt. Die typischen (mandelförmigen) Butterfässer der Kupferzeit bestehen jedoch aus gebranntem Ton. An den Enden sind Ösen für Stricke angebracht, mit denen das Fass über Tage hin und her geschwungen werden konnte.

Eine zweite typische Keramikform des Chalkolithikums sind spitzzulaufende Gefäße, die sogenannten Cornets. Ungeklärt ist noch immer, wozu sie gedient haben. Eine Verwendung als Trinkgefäß ist schon länger im Gespräch. Kürzlich untersuchte Reste in einem der Cornets konnten allerdings als Bienenwachs identifiziert werden. Eine Deutung als Fackel/Lichtquelle wäre in diesem Fall die wahrscheinlichere.
 

MACHT UND OHNMACHT

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Die zahlreichen Ressourcen, die das Tote Meer bietet, lockten schon immer – von den Ägyptern bis zu den Persern – Eroberer an. Eine ganz besonders kriegerische Zeit war jedoch die der ersten zwei Jahrhunderte römischer Herrschaft (1. und 2. Jahrhundert n. Chr.). Damals erhoben sich Judäer aus religiösen oder wirtschaftlichen Gründen gegen die Römer und wurden in schweren Kämpfen (den sogenannten Jüdischen Kriegen) besiegt. Erst als das gesamte römische bzw. byzantinische Reich am Ende der Antike schwächelte, wurden arabische Stämme zu einer Bedrohung und übernahmen schließlich ab dem 7. Jahrhundert die Macht.

ZWEI SEITENEINER MEDAILLE

 

 

Nach dem Sieg der Römer im sogenannten ersten Jüdischen Krieg (66–70 n. Chr.) ließ der römische Kaiser Münzen prägen, die den Sieg feierten. Oft war auf den Münzen Iudaea Capta, also „Judaea ist erobert“ zu lesen. Ebenfalls abgebildet: die Dattelpalme – eine Pflanze, die in Judaea besonders gut gedeiht. Um sie herum stehen Vertreter der Sieger und Besiegten: die Römer symbolisiert durch einen Feldherrn, die Judäer durch Trauernde oder Gefesselte.

Bei der abgebildeten Vorderseite einer Gedenkmedaille ist die alte Münze als winzige Szene in der oberen rechten Ecke eingefügt worden. Die historischen Darstellungen sind von solcher Symbolkraft, dass sie sich auf der moderne Medaille wiederfinden, die 1965 im Gedenken an die Opfer der IDF (Israel Defense Force) geprägt wurde. Auf der Rückseite werden die historisch negativen Bildinhalte sogar durch positive Wirklichkeit ersetzt: Noch immer steht die Dattelpalme für das Land, doch nun stellt sich eine ganz andere Welt dar. Junges Familienglück - Neubeginn und Wachstum prägen die Szene.

Gedenkmedaille für Opfer der Israel Defense Forces von 1963, Seite A

Unterwerfung

Gedenkmedaille für Opfer der Israel Defense Forces (1963) | Seite A Vergrößerung Bereich oben rechts

Auf der Vergrößerung sieht man neben der Dattelpalme in der Mitte einen symbolisierten Römer in Rüstung, der mit dem Fuß auf einem Helm steht. Von ihm abgewendet kauert eine trauernde Frau, die stellvertretend für die eroberten Judäer steht. Den Kopf in die Hände gestützt blickt sie zu Boden

An den Seiten ist der Schriftzug "Iudaea Capta" ("Judaea ist erobert") zu lesen.

Gedenkmedaille für Opfer der Israel Defense Forces (1963) | Seite B

Befreiung

Gedenkmedaille für Opfer der Israel Defense Forces (1963) | Seite B, Vergrößerung Bereich oben rechts

Die Vergrößerung auf der Rückseite zeichnet nun ein ganz anderes Bild. Die befreiten Judäer werden diesmal auf der linken Seite und stehend durch eine Frau mit Kind dargestellt. Neues Leben und Freude statt Trauer und Unterdrückung. Auch auf dieser Darstellung kauert rechts eine Person, nur ist es diesmal ein (Weizen?) pflanzender Judäer.

DIE HÖHLE DER BRIEFEUND IHRE GEHEIMNISSE

Im Nahal Hever auf der Westseite des Toten Meeres befinden sich zahlreiche Höhlen, die als Verstecke im Zweiten Jüdischen Krieg genutzt wurden. Eine der berühmtesten ist die sogenannte Cave of Letters (Höhle der Briefe). Ihre Eingänge liegen 200 Meter über dem Fuß der Felswand und 80 unterhalb der Kante. Sie sind nur schwer zu erreichen. Über einen kurzen Kriechgang kommt man ins Innere der 170 Meter langen Höhle. Seit den 1950er Jahren wurde die Höhle erforscht, nachdem Gerüchte über Schriftrollenfunde aufkamen.

Später stellte sich heraus, dass Beduinen – Archäologen fanden ihre Zigarettenstummel in der Höhle – bereits zuvor Objekte aus der Höhle verkauft hatten. Aber auch die Arbeit der Archäologen war ergiebig: Sie fanden zahlreiche Briefe, Dokumente, Gegenstände des Alltags und Skelettreste. Die Römer hatten ihr Lager oberhalb der Eingänge aufgeschlagen und warteten mit grausamer Geduld auf das Herauskommen der Flüchtlinge.

Auf diesem Bild zu sehen: der Blick aus der Höhle der Briefe (1950er Jahre).
Foto: Israel Antiquities Authority

EIN SATTELFÜR DAS SMAC

EINE ERFINDUNGDIE GRENZEN INS WANKEN BRACHTE

Der sogenannte Nordarabische Sattel oder auch Kreuzbogensattel hat seinen Namen von der Region, in der er entstanden ist bzw. von seiner Konstruktionsweise mit gekreuzten Holzstreben. Durch ihn war es Kamelreitern möglich, längere Zeit auf den ausdauernden Dromedaren zu reiten. Der Sattel wird dem Höcker aufgesetzt, mit Decken wird gepolstert. Er wurde vermutlich bald nach der Zeitenwende erfunden. Die Wegstrecke der sich auf den Kamelen fortbewegenden Reiter wurde dadurch so erhöht, dass arabische Stämme zu einer ernsten Bedrohung der Grenzen des Römischen Reiches wurden.

Da bisher kein originales Exemplar der Zeit bekannt ist, wurde der Sattel für die Ausstellung nachgebaut. Die älteste – allerdings ungenaue – Darstellung stammt aus der Zeit um 200 n. Chr. Da diese Sattelkonstruktion aber noch heute genutzt wird, war ein Nachbau möglich. Die verwendeten Materialien sind Holz und Leder; der Arbeitsaufwand von 120 Stunden für den Nachbau ist hoch und verdeutlicht den beträchtlichen Wert, der einem solchen Sattel in der Antike sicher beigemessen wurde.

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KULT UND RELIGION

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Heute verbinden wir die Region um das Tote Meer vor allem mit den drei sogenannten abrahamitischen Religionen, deren jüdische, christliche oder muslimische Anhänger teilweise zu denselben Orten pilgern. Für Archäologen sind die Anfänge von Kult und Religion aber zumindest genauso spannend. Man kann einerseits frühe Ausprägungen eines umfassenden Ahnenkultes beobachten (8300 - 5500 v. Chr.). Andererseits sind aber auch künstlerisch-metallurgische Höchstleistungen in der Kupferzeit (4500 - 3300 v. Chr.) zu bestaunen, die sich eigentlich nur mit einem festen Glauben an etwas Übernatürliches erklären lassen. Vielleicht ist eine extreme Region wie die um das Tote Meer geradezu dafür gemacht, auffallende Formen des Glaubens hervorzubringen.

VATER, MUTTER SOLLST DU EHREN

 

 

Zu den frühesten Formen der Verehrung – nicht nur am Toten Meer – zählen die des Ahnenkultes. Erkennbar sind sie durch eine Sonderbehandlung menschlicher Überreste, vor allem der Schädel. Man glaubt, dass besondere Personen einer Gemeinschaft außergewöhnliche Fähigkeiten nach ihrem Tod besitzen.
Mehrere Funde der frühen Jungsteinzeit (8300 - 5500 v. Chr.), die mit einer solchen Vorstellung verbunden werden können, stammen aus Jericho und auch einer Höhle im Nahal Hemar.


Schädel wie dieser werden unter den Fußböden von Gebäuden gefunden: Sie können mit Gips überzogen, bemalt und mit anderen Materialien wie Muscheln verziert sein. Bei genaueren Untersuchungen hat man festgestellt, dass die Schädel mitunter bereits im Kindesalter deformiert wurden.

Kugelige, dunkle Metallobjekte mit einem Loch oben auf weißem Grund. Elf solcher Objekte sind in 2 Reihen versetzt nebeneinander angeordnet.

EIN SCHATZ OHNE BESITZER

 

 

Ein Ensemble von 442 Kultobjekten zumeist aus Kupfer, das seinesgleichen sucht, ist der Schatz aus einer Höhle im Nahal Mischmar. Die Gegenstände von einzigartiger Qualität wurden am 22. März 1961 in der Cave of Treasure (Höhle des Schatzes) entdeckt und vermehrten auf einen Schlag den Bestand an Kupferobjekten dieser Zeit (4500 - 3300 v. Chr.) in der südlichen Levante um ein Vielfaches. Noch heute gibt der Schatz viele Rätsel auf: Warum wurde er versteckt? Wozu diente er? Wann wurde er benutzt? Zu welchem Heiligtum gehört er?

 

Abbildung: Teile des Schatzes aus der Cave of Treasure ("Höhle des Schatzes). Zu sehen sind sogenannte Keulenköpfe. | Foto: Israel Museum Jerusalem

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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JÜDISCHES LEBEN AM TOTEN MEER

 

Die frühe jüdische Geschichte ist eng mit dem Tempel in Jerusalem verbunden. Er wurde von Salomon (10./9. Jh. v. Chr.) errichtet, von Serubbabel (6. Jh. v. Chr.) erneuert und von Herodes (1. Jh. v. Chr.) ausgebaut. Das gesamte religiöse Leben der Juden hatte diesen Tempel als Bezugspunkt. Hier fand ein zentrales Tieropfer statt. Als die Römer 70 n. Chr. den Tempel zerstörten, veränderten sie dadurch das religiöse Leben der Juden radikal.

 

Wichtige Impulse beispielsweise bei der Verbreitung von Synagogen als Ort des gemeinsamen Gebets wurden damals gegeben. In der Oase En-Gedi zeugen viele Hinterlassenschaften vom jüdischen Leben in den Jahrhunderten nach der Tempelzerstörung: Eine Synagoge aus byzantinischer Zeit konnte ausgegraben werden, und Funde wie aus Kalkstein gefertigte Becher sind eindeutig mit jüdischen Vorschriften zu verbinden.

Das Foto zeigt die Überreste eines Gebäudes mit Säulen im Inneren und treppenartiger Umrandung des Innenraumes.Bildinformationen anzeigen
Synagoge auf Masada. Von Flüchtlingen während des sogenannten ersten Jüdischen Krieges (1. Jh. n. Chr.) in einem Stall eingebaut. Es handelt sich hier um eine der frühesten Synagogenbauten überhaupt. | Foto: smac, Sabine Wolfram
Synagoge auf Masada. Von Flüchtlingen während des sogenannten ersten Jüdischen Krieges (1. Jh. n. Chr.) in einem Stall eingebaut. Es handelt sich hier um eine der frühesten Synagogenbauten überhaupt. | © Sabine Wolfram
Zu sehen ist eine große Sandsteinmauer, an deren Fuß eine größere Zahl großer Steinquader durcheinander liegt. Bildinformationen anzeigen
Steinquader, die Römer nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem von der Terrassenmauer des Tempelareals geworfen haben sollen. | Foto: smac, Yvonne Schmuhl
Steinquader, die Römer nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem von der Terrassenmauer des Tempelareals geworfen haben sollen. | Foto: smac, Yvonne Schmuhl
In einem Braunton eingefärbtes Foto von Gesteinsterassen und umgebender Schlucht nahe dem Ort Qumran.

DIE SCHRIFTROLLENVOM TOTEN MEER

 

 

 

Abb. Blick von der Siedlung Qumran in Richtung der Mergelterrassen. Gut zu sehen ist der Eingang zur sogenannten Höhle 4 (mittig). Foto: smac, Yvonne Schmuhl

In den Höhlen um eine hellenistisch-römische Siedlung, die heute Qumran genannt wird, wurden seit den späten 40er Jahren zunächst von Beduinen, später von Archäologen unzählige Fragmente von fast 1000 Schriftrollen entdeckt. Nur wenige, die in Krügen gefunden wurden, sind in relativ gutem Zustand. Sie sind meist in Hebräisch auf Pergament und in dem Zeitraum vom 3. Jh. v. Chr. bis ins 1. Jh. n. Chr. geschrieben worden. Neben sämtlichen Texten des Alten Testaments enthalten sie mehrheitlich religiöse Themen.
Die thematische Zusammensetzung spricht dafür, dass es sich um den Bestand einer religiösen Bibliothek handeln könnte, die in den Höhlen verborgen wurde. Welche Rolle dabei die Bewohner von Qumran spielten, ist bis heute umstritten. Wer einmal vor Ort war, weiß, dass es nicht ohne ihr Wissen geschehen sein konnte: Die Höhleneingänge liegen in Sichtweite in den umgebenden Mergelterrassen.

 

Große Jesajarolle. Sie ist 7,34 m lang, wurde um 200 v. Chr. auf Pergament geschrieben und ist die älteste, erhaltene Handschrift eines ganzen Buches (Jesaja) des Alten Testaments. 1947 wurde sie von Beduinen in der sogenannten Höhle 1 entdeckt und gehört somit zu den frühesten bekanntgewordenen Schriftrollen.

Das Bild zeigt eine waagerecht ausgerollte Schriftrolle aus sandfarbenem Pergament mit schwarzer Schrift.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Israel Museum Jerusalem

Eine aufgeschlagene Bibel mit schwarzem Einband im Anschnitt auf weißem Grund. Zu sehen ist eine Doppelseite aus dem Psalter in englischer Sprache

DER URSPRUNG DER BIBELTEXTE UND DAS TOTE MEER

 

Die Texte des Tanach, aus dem später das Alte Testament entstanden ist, sind in einem Zeitraum von weit über 1000 Jahren aufgeschrieben worden, der letzte im 5. Jh. v. Chr. Berichtet wird unter anderem von der Geschichte des Volkes Israel. Es sind Erzählungen, die zum Teil auf historischen Begebenheiten beruhen. Oft werden aber auch – innerhalb der Grenzen der eigenen Erfahrungen und Vorstellungen – Dinge nachträglich erklärt und gerechtfertigt. Zwei dieser Erzählungen sind eng mit der Region am Toten Meer verbunden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DIE POSAUNEN VOR JERICHO:

Nach dem Auszug aus Ägypten folgt nach biblischer Überlieferung die sogenannte Landnahme. Die berühmteste Erzählung dieser Zeit ist die der Einnahme Jerichos.
Im Buch Josua (6,4-20) wird berichtet, dass die Mauern der Stadt Jericho beim Klang der Trompeten (Posaunen) einstürzten. Ein Zeichen für göttliche Unterstützung. Nur: In der Zeit (14./13. Jh. v. Chr.), in der das Ganze stattgefunden haben soll, existierte in Jericho keine befestigte Stadt.

 

Da erhob das Volk ein Kriegsgeschrei, und man blies die Posaunen. Und als das Volk den Schall der Posaunen hörte, erhob es ein großes Kriegsgeschrei. Da fiel die Mauer um, und das Volk stieg zur Stadt hinauf, ein jeder, wo er gerade stand. So nahmen sie die Stadt ein.
 

Josua 6,20

LOT UND DIE GESCHICHTE VON SODOM UND GOMORRA:

Gott wollte die Sündenstädte Sodom und Gomorra vernichten. Fremde befanden sich damals als Gäste im Hause Lots. Die Einwohner Sodoms wollten die Gäste vergewaltigen, Lot verweigerte jedoch deren Herausgabe. Daraufhin zerstörte Gott Sodom und Gomorra, ließ aber Lot und seine Familie entkommen. Sie sollten nicht zurückblicken, was Lots Frau jedoch tat und sie zur Salzsäule erstarren ließ. Lot und seine Töchter versteckten sich in einer Höhle.

 

Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war. Und Lots Frau sah hinter sich und ward zur Salzsäule.

Genesis 19, 24 - 26

Zu sehen ist ein ruinenartiger Bereich vor einem Felsen. In der rechten Bildhälfte sind Grundrisse eines Gebäudes mit Treppen darin erkennbar. Auf der linken Seite führt ein dunkler Eingang in den Berg hinein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb.: Kloster des Lot bei Ghor es-Safi. Im 5./6. Jh. entstand neben einer Höhle (links) eine Kirche in Form einer dreischiffigen Basilika. Hier wurde nachweisbar auch noch in muslimischer Zeit Lot verehrt, dessen Geschichte übrigens auch im Koran erzählt wird. [ Foto: Ana al'ainWikimedia Commons ]

 

Die Städte Bab edh-Drah und Numeira an der Südostküste des Toten Meeres werden oft mit Sodom und Gomorra identifiziert; Salzformationen, die zur Geschichte von Lots Frau inspiriert haben könnten, finden sich überall am Toten Meer; und, ein Kloster des Lot neben einer Höhle, ist in Ghor es-Safi in byzantinischer Zeit entstanden. Eine Verschränkung von Realität und Fiktion ist also auch hier zu beobachten.

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ANTIKE QUELLEN

Die Erforschung des Toten Meeres hat eine lange Tradition und  war zu allen Zeiten von unterschiedlichen Interessen geprägt: die Menschen, die diese unwirtliche Region bereisen und erforschen sind religiös, wissenschaftlich, ökonomisch oder politisch motiviert.

Erste Berichte zu den Besonderheiten des Toten Meeres stammen aus antiken Quellen. Dass das Wasser so bitter und salzig sei, dass kein Fisch darin leben kann und weder Tier noch Mensch, auch wenn an Händen und Füßen gebunden, darin untergehen können, berichtet bereits Aristoteles (gest. 322 v. Chr.). Plinius der Ältere (gest. 79 n. Chr.) erwähnt in seiner Naturgeschichte mehrfach das Tote Meer, das er als „Asphaltsee“ bezeichnet und schwärmt von den berühmten Dattelpalmen aus Jericho. Der Historiker Flavius Josephus (gest. 100 n. Chr.) bezieht topographische Angaben auf biblische Ortsangaben und will so zum Beispiel die Salzsäule gesehen haben, in die Lots Frau verwandelt worden sei.

Da „schleuderte Gott ein Geschoss auf die Stadt‘‘ und verbrannte die Erde samt ihren Bewohnern; er vernichtete sie in einem Brand, wie ich ihn damals beschrieben habe, als ich den „Judäischen Krieg“ verfasste. Die Frau Lots, die während der Flucht stets sich nach der Stadt umdrehte und neugierig war, wie es ihr gehen würde, obwohl Gott das verboten hatte, wandelte sich in eine Salzsäule; die habe ich mir angesehen, denn sie steht noch heute.

 

nach Flavius Josephus, Jüdische Altertümer (Antiquitates Judaicae) | 1, 203

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

RELIGION UNDNEUGIERDE

 

 

Die Mailänder Vereinbarung, die 313 zwischen den römischen Kaisern Konstantin I., dem Kaiser des Westens, und Licinius, dem Kaiser des Ostens, getroffen wurde, gewährte “…sowohl den Christen als auch überhaupt allen Menschen freie Vollmacht, der Religion anzuhängen, die ein jeder für sich wählt…“.  Damit wurden auch Reisen von Christen in das Heilige Land möglich. Im 4. Jahrhundert entwickelten sich Pilgerreisen zu einer regelrechten Massenbewegung, denn viele Menschen wollten die heiligen Stätten mit eigenen Augen sehen.

 

 

 

 

Monumentalkopf Konstantins des Großen aus der Maxentiusbasalika in Rom

 

 

„Ich bin nämlich ziemlich neugierig“ (Egeria 16,3)

Viel weiß man nicht von dieser neugierigen Frau, die im 4. Jahrhundert den wohl ersten Reiseführer für das Heilige Land geschrieben hat. Die Fragmente ihres Berichtes, die 1884 in der Klosterbibliothek von Arezzo in Italien gefunden wurden, nennen die Verfasserin nicht, werden aber Egeria zugeschrieben. Sie war wohl eine vermögende fromme Frau der Oberschicht aus Südfrankreich oder Nordspanien, die ihren „verehrten Damen Schwestern“ daheim von ihrer Reise berichtete. 381 war sie zu einer Pilgerreise aufgebrochen, die sie über 5000 km von Nordspanien nach Jerusalem über den Sinai nach Ägypten und zurück kreuz und quer bis Konstantinopel brachte.

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Reiseroute von Egeria | Kartenentwurf: smac, Annelie Blasko
Reiseroute von Egeria | Kartenentwurf: smac, Annelie Blasko

 

 

Allein oder in kleineren Gruppen reiste sie zu Fuß, in Römischen Postwagen und auf dem Rücken eines Esels. Im Gegensatz zu anderen Itineraren, beschreibt Egeria lange Märsche durch die Wüste, Begegnungen mit Einsiedlern und gibt Gespräche mit Bischöfen der besuchten Städte wieder. Sie berichtet nicht nur bildhaft von Kirchen, Klöstern und Heiligen Stätten jener Zeit, sondern sie beschreibt auch Gottesdienste und erzählt von liturgischen Bräuchen, die ihr fremd waren.

Damals wie heute ist Egerias Reisebericht eine spannende Vorlage für Pilger. Für Archäologen bietet er wichtige Erkenntnisse zur Topographie des Heiligen Landes im 4. Jahrhundert.

LEBENSBILDER AUS PALÄSTINA

 

Der Geist der Aufklärung führt ab dem 18. Jahrhundert Forschungsreisende in die Region. Sie  kartieren, sammeln, beschreiben und fotografieren. Unter ihnen sticht besonders Gustaf Dalman hervor. Der Theologe und Palästinaforscher wurde 1902 als erster Direktor des „Deutschem Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes" nach Jerusalem berufen. Auf zahlreichen Reisen durch das ganze Land studierte er das Alltagsleben  und sammelte Haus- und Ackergeräte, Holz-, Pflanzen- und Gesteinsproben, ein Herbarium sowie diverse Landkarten. Seine Dokumentation des Lebens und der Landschaften in Palästina hielt er in über 10.000 Abzügen auf großformatigen Glasplattenpositiven fest.

 

 

Wer mehr Bilder von Gustaf Dalman sehen möchte, dem sei die virtuelle Ausstellung " Das gelobte Land der Moderne. Deutsche Reisefotografien zwischen Aleppo und Alexandria" empfohlen.

 

DIE ÄLTESTESTADT DER WELT?

 

Ab 1952 führt Kathleen M. Kenyon die Ausgrabungen in Tell es-Sultan (Jericho) weiter, die John Garstang in den 1930-er Jahren begonnen hatte. Garstang hatte den Ort mit der biblischen Geschichte Josuas in Verbindung gebracht. Die Stadtmauern, die er der Zeit Josuas - dem Ende der Spätbronzezeit - zugeschrieben hatte, konnte Kenyon dank ihrer Untersuchungen fast 2000 Jahre früher in die beginnende Bronzezeit um 2350 v. Chr. datieren. Es zeigte sich, dass praktisch keine Spuren der Stadt der biblischen Ära mehr vorhanden waren. Die überraschendste Entdeckung in Jericho war jedoch der Nachweis einer umfangreichen Innenbebauung aus dem 7. Jahrtausend v. Chr. Mit kommunalen Gebäuden, einem Rundturm und einer „Stadtmauer“ versehen, meinte Kenyon die „älteste Stadt der Welt“ freigelegt zu haben.  Die Entdeckungen in Jericho führten zu einem neuen Verständnis der Bedeutung der Urbanisierung für die frühe Zivilisation im Nahen Osten.

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JERICHO OFF THE RECORDS

 

Die Abschlussberichte der Ausgrabung in Jericho wurden zwischen 1960 und 1983 in fünf Bänden veröffentlicht. Neben diesen offiziellen Aufzeichnungen machten die Mitglieder der Expedition während der Ausgrabung auf eigene Initiative viele private Notizen. Das NPAPH-Projektteam hat zusammen mit Studenten der Fachhochschule Utrecht und der Hochschule der Künste Utrecht der HKU zwei Kurzfilme über die Ausgrabungen in Tell es-Sultan in den 1950er Jahren erstellt. Anhand von Fotos, Dias, 16-mm-Filmen, Tagebüchern, Briefen und Interviews mit ehemaligen Grabungsteilnehmern bekommen wir einen Einblick in das Grabungsleben. Dazu gehören nicht nur zahlreiche Feste und das "niedrigste jemals gemeldete Bootsrennen", das am Toten Meer stattfand. Auch die politischen Umstände nach der Staatsgründung Israels werden thematisiert.  Der Journalist David Spurgeon von Toronto Globe and Mail berichtete 1956 exklusiv "direkt" aus dem Tell und dokumentierte u.a. das Flüchtlingslager, das sich neben der Nordseite des Tells befand.

Western perspectives

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Der Film  beschreibt die Erfahrung mit den Augen von Mitarbeitern, die hauptsächlich aus Westeuropa und Nordamerika stammten. © 2017 NPAPH

Local Perspectives

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Dieser Film zeigt die Perspektive lokaler Arbeiter, die in Jericho oder im nahe gelegenen Flüchtlingslager lebten. © 2017 NPAPH

TEXTILIEN

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Gefärbte Wolle aus der Höhle der Briefe (Cave of Letters) | vor 135 n. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

GUT GEKLEIDETIN DEN TOD

 

In den Höhlen rund um das Tote Meer haben sich wegen des trockenen Klimas Jahrtausende alte Textilien so gut erhalten wie in nur wenigen anderen Regionen der Erde.

Die Funde bieten einen einzigartigen Blick auf viele Etappen der Textilherstellung. Sie zeugen von der Verarbeitung einfacher Flachsfasern bzw. Leinen (am Toten Meer erstmals vor 12.000 Jahren nachgewiesen) bis hin zur Verwendung tierischer Wolle.

Nicht selten stammen die textilen Überreste aus Gräbern, ist man doch meist in der eigenen Kleidung bestattet worden.

 

 

 

 

Gefärbte Wolle aus der Höhle der Briefe (Cave of Letters), vor 135 n. Chr. | Foto: Israel Antiquities Authority

TECHNIK, DIE BEGEISTERT

Einzigartig sind aber nicht nur die Stoffreste selbst, sondern auch die Geräte, die der Textilverarbeitung dienten. Die ältesten Ahlen und Spatel vom Toten Meer stammen aus einer Epoche der Jungsteinzeit (8300 - 5500 v. Chr.), in der man noch nicht einmal Keramik herstellte. Spätestens in der sogenannten Kupferzeit (4500 - 3300 v. Chr.) verwendete man dann Webstühle am Toten Meer – und auch von denen haben sich Teile im trockenen Klima erhalten.

EIN MODISCHERDAUERBRENNER

 

Mit den Römern kam auch deren Mode ans Tote Meer. Ein Kleidungsstück, das man im römischen Britannien genauso gern wie in der ägyptischen Provinz trug, war die Tunika. Ihre ‚globale‘ Beliebtheit ist mit der des heutigen T-Shirts vergleichbar. Die frühen Exemplare bestehen aus zwei gleichgroßen Stoffbahnen, die an drei Seiten zusammengenäht und mit Schlitzen für Kopf und Arme versehen waren. Oft hat man sie mit einem Gürtel am Körper gehalten. Charakteristisch – vor allem für Männergewänder – sind die von vorn nach hinten laufenden Streifen. Frauengewänder sind meist farbenfroher. Spätere Tuniken waren reich verziert und hatten auch Ärmel.

Das Exemplar aus der Ausstellung ist eine frühe Variante und wurde in der Höhle der Briefe (Cave of Letters) gefunden, in der sich im Zweiten Jüdischen Krieg Flüchtlinge vor den Römern versteckt hatten. Die Tunika ist also etwa 1900 Jahre alt!

 

 

 

MAKING OF: DAS TOTE MEER MENSCHEN, FAKTEN, SENSATIONEN

Die Sonderausstellung Leben am Toten Meer war vom 27.09. 2019 bis 13.3.2020 und vom 4.5. bis zum 12.07. 2020 im smac zu sehen. Mit über 20.860 Besuchern aus Nah und Fern gehörte die Ausstellung zu den bislang besucherstärksten seit Eröffnung des Museums in Chemnitz 2014. Die Idee der Ausstellung entstand bereits 2013, reifte während mehrerer Besuche in Israel und einer vorbereitenden Internationalen Tagung 2018.

Ohne die Mitarbeit zahlreicher Menschen wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Hier stellen wir die Köpfe hinter der Ausstellung vor...

AUF ACHT PFADEN UM DAS TOTE MEER

Die Ausstellung Leben am Toten Meer präsentiert die Kulturgeschichte der Region von den ersten bäuerlichen Siedlungen vor rund 10.000 Jahren bis in die frühislamische Zeit (638‒1099 n. Chr.) und ist inhaltlich gegliedert in die Themen Natur und Subsistenz, Wellness, Mobilität, Höhlen Dörfer Städte, Macht und Ohnmacht sowie Kult und Religion. Jedes Thema wiederum ist chronologisch geordnet. Ergänzend werden die Forschungsgeschichte und die Textilfunde dargestellt.

Das Gestaltungskonzept greift die thematische Gliederung in Themenpfaden auf, die sich um ein zentrales Landschaftsmodell des Toten Meeres gruppieren und vergegenwärtigt durch seine Farbgebung und unterschiedlich hohe Präsentationselemente die Eigenheiten der Region. Davon getrennt wird die religiös, wissenschaftlich und politisch motivierte Forschung in einer Nische dargestellt und in einer weiteren herausragende Textilfunde, deren Erhaltung wir dem trockenen Klima der Region verdanken.

 

 

Die Macher:innen

5 Fragen an...Martin Peilstöcker

Martin Peilstöcker ist einer der Kuratoren der Sonderausstellung LEBEN AM TOTEN MEER und war während der Ausstellungsvorbereitung ein Dauergast des Teams. Nicht selten stand er hebräisch (?) diskutierend mit seinem Handy in den Fluren des smac. Seine Expertise verdanken wir einem spannenden Lebenslauf, deswegen: 5 Fragen an Martin Peilstöcker!

Von kultigen Gewächsen

 

Unscheinbare Früchte und Samen sind in der Archäologie mindestens so wichtig wie Goldfunde. Denn sie sind Überreste von Pflanzen, die die Menschen in der Vergangenheit gesammelt oder angebaut und verzehrt haben. Die in der Ausstellung gezeigten Dattelkerne, die Samen der Dattelpalme, stehen für die Bedeutung der Datteln als Nahrungsmittel in der Region um das Tote Meer. Besonders die Datteln von Jericho wurden schon in der Antike für ihre Qualität gepriesen.

Darüber hinaus spielt die Dattelpalme in Kult und Religion eine Rolle.

 

HAUSBAUmit 8000 Jahre altem Brot?

Luftgetrockneter Lehmziegel  oder Doppelback-Mischbrot?

 

Auf den ersten Blick lassen Größe und Form ganz kurz die Idee aufkommen, dass es sich bei meinem Lieblingsexponat um ein Bäckereiprodukt handelt. Weitere Gemeinsamkeiten: Beide wurden mit den Händen geformt oder in rechteckige Holzformen gepresst und für beide Produkte gibt es unterschiedliche „Rezepte“.

 

Lehm wurde mit weiteren Zutaten wie Sand, Stroh oder mit Tierkot (von Pflanzenfressern) vermischt. Dieses „Magern“ verringert nicht nur das Gewicht der Lehmziegel (siehe „Löcher“ an der Unterseite des Ziegel), damit wird auch die Zugfestigkeit, also die Belastbarkeit bis zur Verformung (Risse!) des Materials, erhöht.

 

Sind Lehmziegel zu einem Haus verbaut, so sorgt ihre beeindruckende Isolierleistung selbst bei großer Hitze tagsüber für angenehme Temperaturen im Hausinneren, nachts geben sie dort die gespeicherte Wärme wieder ab. Dieser globale Baustoff, der außer im Vorderen Orient in China und in Mittelamerika Verwendung fand, ist wiederverwertbar, was ihn unschlagbar nachhaltig macht.

 

Allerdings: Im starken Regen weicht er auf, verliert seine Form und zerfließt. Das ist der eigentliche Grund, weshalb luftgetrocknete Lehmziegel Archäologenherzen höher schlagen lassen, denn auf zerflossenen Lehmziegeln werden mit neu geformten Lehmziegeln wieder und wieder neue Siedlungen gebaut. Ein Tell (Siedlungshügel) entsteht so, in dem es außer luftgetrockneten Lehmziegeln vielleicht auch Getreidekörner zu entdecken gibt, die ….oh nein, da ist es wieder: Das Doppelback-Mischbrot!

 

Von zierlichem Glas

Inmitten der Gebrauchskeramik, die in den Parfümwerkstätten auf dem Tel Goren in der Oase von En-Gedi gefunden wurde, sticht das zierliche und leuchtende Glasfläschchen hervor. Es wurde aus geschmolzenen Glasfäden hergestellt, die um einen Kern herum gewickelt und dann zurechtgeformt wurden. Es handelt sich um einen sogenannten Aryballos, ein typisches Parfümgefäß, das wahrscheinlich um die Mitte des 1. Jht. v. Chr. in einer phönizischen Werkstatt an der südlichen Levanteküste hergestellt wurde.

Die Phönizier spielten eine wichtige Rolle im mittelmeerweiten Parfümhandel und es ist gut vorstellbar, dass sie auch am Toten Meer aktiv waren und das berühmte Balsamöl in ansprechende Aufbewahrungs- und Transportgefäße umfüllten.

Das Parfümfläschchen ist nicht nur schön und technisch staunenswert; mich fasziniert vor allem, wie viel es über die Wirtschafts- und Kulturgeschichte am Toten Meer zu erzählen vermag.

Zarte Schale...

„Was diese Töpfer konnten, schafft heute kaum noch jemand.“

Das Zitat stammt von einer Töpferin, die bei einer gemeinsamen Runde durch die Ausstellung bei drei – auf den ersten Blick – unscheinbaren nabatäischen Schalen begeistert stehen blieb.

Die Nabatäer waren südlich vom Toten Meer lebende Araber, die bereits früh erkannten, dass mit dessen Ressourcen gute Geschäfte zu machen waren. Der griechische Geschichtsschreiber Diodor beschreibt sogar eine Auseinandersetzung im 4. Jahrhundert v. Chr. zu Wasser zwischen Griechen und Nabatäern um den auf dem Salzsee schwimmenden Asphalt. Später, in römischer Zeit, trieben die Nabatäer in der Gegend Handel oder verdingten sich als Söldner. Überall dort, wo sie waren, hinterließen sie ihre mit einfachen pflanzlichen Motiven in Brauntönen bemalte Keramik.

Das Außergewöhnliche an den Schalen aber sind ihre hauchdünnen Wände. Die Fingerfertigkeit der Töpfer war enorm und erforderte viel Übung: Die Scheibe durfte nicht zu schnell drehen, der Ton musste mit gemahlenen Bestandteilen aus gebranntem Ton wegen der Standfestigkeit gemagert sein und gebrannt wurde bei über 1000 °C.

Den großartigen Töpfern der Nabatäer sei hiermit etwas Anerkennung gezollt!

Flaschentod

Mein Lieblingsobjekt war schon vor der Ausstellungseröffnung ein heimlicher Medienstar: eine zunächst ziemlich unscheinbare braune Apothekerflasche, in die der berühmte Palästinaforscher Gustaf Dalman am 19. November 1921 am Toten Meer Salzwasser gefüllt hatte. Die bis heute ungeöffnete Flasche lagerte seitdem im Depot der Gustaf-Dalman-Sammlung der Universität Greifswald, bevor sie – gut verpackt und unter großem Presserummel – zu uns ins smac kam. Nun ist sie eines von knapp 30 Exponaten, die in unserer Sonderausstellung „Leben am Toten Meer“ die Forschungsgeschichte der Region veranschaulichen.

Wasserproben vom Toten Meer sind sicher keine Seltenheit. Dass eine Probe aber nicht untersucht, sondern für die Nachwelt erhalten werden sollte, ist schon etwas Besonderes. In den fast 100 Jahren seit der Abfüllung hat die Flasche dennoch an Inhalt verloren: sie ist nur noch zu etwa einem Viertel gefüllt, am Boden der Flasche lagern Salzkristalle. Die Flasche steht damit auch stellvertretend für die aktuellen Umweltprobleme am Toten Meer: derzeit sinkt der Wasserspiegel um etwa einen Meter pro Jahr.

Besonders gefreut habe ich mich über den regionalen Bezug der Flasche: bevor Gustaf Dalman 1902 als erster Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaften nach Jerusalem berufen wurde, war er Professor für Altes Testament und Judaistik in Leipzig. Auf der Schutzmarke der Homöopathischen Central-Apotheke Leipzig, die auf der Flasche befestigt ist, hat Gustaf Dalman das Entnahmedatum vermerkt. Was sich ursprünglich in der Flasche befand, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen; dafür ist das Etikett zu sehr verblasst.

Komplettiert wird die Wasserprobe von einem Bild, das Dalman am Tag der Abfüllung am Toten Meer zeigt.

Dank an

It takes a village...Ohne all diese Menschen wäre diese Ausstellung nicht möglich gewesen
It takes a village...Ohne all diese Menschen wäre diese Ausstellung nicht möglich gewesen

DAS KLEINE BISSCHENMEHR

"Leben am Toten Meer" gibt es aber auch zum Anfassen. Im Onlineshop des Landesamts für Archäologie können Sie den reich bebilderten Katalog zur Ausstellung bestellen:

https://www.eshop.sachsen.de/lfa/default/ausstellungskataloge-smac/leben-am-toten-meer-archaologie-aus-dem-heiligen-land-das-buch-zur-ausstellung.html

Zudem ist im Zaphon- Verlag der Tagungsband zur Konferenz "Life at the Dead Sea (21.-24. Februar 2018) erschienen. Renommierte internationale Wissenschaftler:innen geben aktuelle Einblicke in ihre Forschung rund um das Tote Meer.

Der englischsprachige Band kann direkt im Zaphon-Verlag bestellt werden: https://www.zaphon.de/Life-at-the-Dead-Sea

 

Wir freuen uns, wenn Sie uns Ihre Meinung sagen: info@smac.sachsen.de

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